Malte Spitz ist uns ein gerngesehener Gast, weshalb wir ihn dazu eingeladen haben, zusammen mit dem französischen Filmemacher und Fotografen Jo Peters einen Artikel für unser Magazin zu schießen. Die Bilder, die dabei entstanden sind, wurden ausschließlich in der zweiten Hälfte des letzten Jahres und im Januar 2015 gemacht – die Kulisse: eine Hauptstadt ohne jeglichen Farbzusatz. Und wie das bei einem Interview so ist, wird normalerweise „Frage und Antwort“ gespielt. Aber da wir ausschließlich Malte zu Wort kommen lassen wollten, gibt es in seinem allerersten Interview keine Fragen, sondern nur Antworten. In einer Neuköllner Eckkneipe stand in einem dunklen Raum ohne weitere Gäste ein Klavier, neben dem wir Platz nahmen, um ein Bier zu trinken und seine Antworten aufzunehmen…

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FS Wallride, Dannenwalderweg, Berlin/MV

Was sagt man denn so, wenn man sich vorstellen soll? Also, ich bin Malte Spitz, ich studiere Kunst- und Literaturgeschichte in Berlin und wohne schon seit ungefähr fünf Jahren in der Hauptstadt. Ursprünglich komme ich nämlich gar nicht aus Berlin, sondern aus Ferch bei Potsdam (1.700 Einwohner), wo ich in meinem Elternhaus groß geworden bin. Geboren bin ich im Jahr 1990, was einen Vorteil hat, denn wenn man vergisst, wie alt man ist, kann man das anhand des einfachen Geburtsjahres schnell nachrechnen.

Ich fahre schon seit einer guten Weile Skateboard, angefangen habe ich bei uns im Dorf am Schulhort. In meinem Kinderzimmer in Ferch, das noch ungefähr so eingerichtet ist, wie ich es damals verlassen habe, hängt noch eine Sequenz, wie ich einen Ollie über einen brennenden Papierkorb mache. Natürlich haben wir damals keine Sequenzen gemacht, sondern einfach alle Versuche zusammengepuzzelt.

Potsdam war dann so das nächste Ziel, wo ich mit der damaligen Lindpark-Gang skaten war, die sich nach und nach verabschiedet hat, indem man entweder wegzog oder einfach aufgehört hat zu skaten. Irgendwann habe ich dann die Jungs aus Spandau kennengelernt, und mit denen bin ich dann auch das erste Mal nach Berlin gefahren.

Später sind viele der Jungs auch dorthin gezogen, wodurch ich auch immer mehr Zeit in Berlin verbracht habe. Die ersten Erfahrungen im Nachtleben einer Großstadt. Ich kann mich sogar noch dunkel daran erinnern, wie ich Maxim Rosenbauer und Vincent Golly am Kulturforum und der Philharmonie skaten sah.

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BS 50-50, Wilhelmstraße, Berlin/Mitte

Für meinen ersten Part (MK1 Video) habe ich Ewigkeiten gebraucht, das waren wahrscheinlich so drei Jahre, und ich wusste nicht wirklich, was ich da mache, wo meine Grenzen sind, wie weit ich gehen kann, beziehungsweise: wie lange ich für gewisse Sachen brauchen würde. Wohingegen sich mein neuester Part mit Jo Peters (Propeller Island) viel natürlicher entwickeln konnte. Ohne jeglichen Druck. Ich habe wahrscheinlich herausgefunden, was ich kann und wie ich es machen möchte. Was jetzt aber nicht bedeutet, dass die Tricks nicht auch mal lange auf sich warten lassen. Irgendwie klappt es aber inzwischen öfter, ohne am Ende zu scheitern.

Francisco Saco hat zum Beispiel einfach alles benutzt, was er von mir gefilmt hat. Jeder noch so beschissene Clip war dabei. Du kannst irgendwelche Tricks machen, und er filmt einfach alles. Im neusten Barcelona-Clip mache ich einen Powerslide und steige danach sofort ab. Was ich ja auch ganz witzig finde, aber das könnte der Grund sein, wieso es so aussieht, als ob ich gerade sehr produktiv wäre. Ähnlich wie bei Francisco ist es beim Alex Pires aus Paris, der auch gerne immer draufhält.

Unterm Strich kann man sagen, dass ich einfach gefunden habe, was ich zeigen möchte – ohne dabei das Risiko einzugehen, mir das Genick zu brechen. Ich möchte auch mit 45 noch laufen können und deswegen springe ich nichts mehr runter, was ich nicht auch hochspringen kann. Von wem kam die Quote noch? Dieses Interview ist übrigens mein erstes.

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Wallie No Comply out, Columbiadamm, Berlin/Tempelhof

Ich bin nicht bei Facebook angemeldet. Ich hatte früher Myspace, aber irgendwann ist das irrelevant geworden, aus welchem Grund auch immer. Es gab eine Zeit, in der viele Leute in allen drei sozialen Netzwerken unterwegs waren, also Myspace, Facebook und StudiVZ. Myspace hat mir aber immer am besten gefallen, da man dort seine Seite selbst gestalten konnte, mit einem Song und so weiter. Zur selben Zeit aber fingen Leute vermehrt an, sich bei Facebook anzumelden, und ich entschied mich einfach dagegen. Noch etwas später ist dann Myspace so langsam ausgestorben, und ich hatte nicht das Gefühl, dass ich Facebook bräuchte.

Ich habe keine krasse Abneigung gegenüber Facebook, aber bin mir auch im Klaren, dass Leute sich über den ständigen Informationsaustausch beschweren, obwohl sie Facebook aus genau diesem Grund nutzen. Sie wollen mit Leuten aus aller Welt in Kontakt bleiben. Na ja, und obwohl sie sich beschweren, machen sie trotzdem weiter. Das kann man ja gerne machen, aber ich möchte nicht immer wissen, wer jetzt gerade wo im Urlaub ist oder was gerade gegessen wird. Bei meinen guten Freunden weiß ich es eh, und bei den anderen muss ich es vielleicht auch gar nicht. Mehr zu wissen ist grundsätzlich gut, aber es gibt auch viel irrelevantes Wissen, das wiederum einen Zeitverlust mit sich bringt.

Ich benutze Instagram, das ist ja ähnlich. Aber da hat man ein einziges Foto als Inhalt, und ich würde persönlich kein Essen abfotografieren, und nur wenn es sehr lustig ist auch mal ein Party-Foto zeigen. Ich bin den sozialen Netzwerken also nicht abgeneigt und sehe es als Medium unserer Zeit. Man muss aber nicht immer alles zu 100% mitmachen.

Wahrnehmen und verstehen – aber nicht immer und überall seinen Senf dazugeben. Leute zu stalken empfinde ich als sehr schlimm, und ich habe nicht das Gefühl, dass ich irgendetwas verpassen würde. Ich bin täglich zwei Stunden im Internet und schaue mir auch die neusten Clips auf meinen bevorzugten fünf Seiten an. Selbst Zeitungen, so wie die Frankfurter Allgemeine, verfolge ich online.

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BS 180° Alley Oop, Lohmühlenstraße, Berlin/Alt-Treptow.

Ich studiere Kunstgeschichte im Nebenfach. Kunst- und Bildgeschichte, um genau zu sein. Das sind Studieneinheiten, die thematisch vom Mittelalter bis zum heutigen Informationszeitalter reichen. Ganz klassisch mit Vorlesung und Kursen. Das Nebenfach habe ich gewählt, weil ich nicht zwingend Kunstwissenschaftler werden möchte. Ich bekomme einen Überblick über die gesamte Kunstgeschichte, damit ich lerne, wie man Kunst heutzutage am besten einschätzen kann und wie die Kunst im Verlauf der Jahrhunderte unsere Gesellschaft reflektiert hat.

Mein Hauptfach ist allerdings Deutsche Literatur. Das Studium funktioniert an meiner Universität auch ohne Sprachwissenschaft, was mir gefällt, da ich mich mehr auf das geschriebene Wort konzentrieren möchte. Ich bin mit dem Bachelor-Lehrgang bald fertig und werde dann anschließend den Master-Lehrgang anpeilen. Wenn es nach mir geht, würde ich auch das gerne weiterhin an meiner Universität machen. Und vielleicht kommt dann auch mal endlich ein Auslandssemester dazwischen.

Falls ich den Master-Lehrgang schaffe, könnte ich mir vorstellen zu promovieren und einen Doktortitel anzustreben. So ein Doktortitel wäre schon was Schönes. Das Ganze ist ein nicht zielgerichtetes Studium, einfach, um mich zu bilden und weil ich denke, dass Geschichte – und in diesem Fall die Geschichte der Künste – immer seine Relevanz hat. Ich denke, dass ich so erlernen kann, die Zeit im Allgemeinen zu verstehen, da Geschichte sich unter anderen Vorzeichen immer wiederholen konnte.

Das sind die Gründe, weshalb ich mich für diesen Studiengang entschieden habe. Theoretisch könnte ich auch Taxifahrer werden. Ich sehe mich nicht 40 Jahre lang im selben Beruf und möchte lieber in vielen Bereichen einen Einblick bekommen. Auch der Unibetrieb ist nicht so meins; ich gehe hin, mache mein Ding und gehe wieder. Ich nutze kaum die Chance, durch meine Universität neue Leute kennenzulernen.

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BS Feeble Pop Out, Hafenplatz, Berlin/Kreuzberg

Ich habe gerade den Steve-Forstner-Schuh-Flow-Deal. Steve hat mir vor Kurzem welche mitgebracht, und auch als ich in Barcelona war konnte er mir welche geben – für einen schmalen Taler, versteht sich. Valeri hat leider nicht meine Schuhgröße. Ansonsten kaufe ich mir auch mal ein Paar im Search & Destroy, was ich aber auch schon ewig nicht mehr gemacht habe.

Ich wüsste nicht, wo eine Karriere als Skateboarder herkommen sollte. Skateboarding nimmt einen großen Teil meines Lebens ein, aber beruflich wäre das nichts für mich, und auch mein Studium sehe ich nicht als Karriereplan, sondern ich mache es, weil es mich interessiert. Man stolpert ja irgendwie immer von einem Jahr ins nächste. Um am Ende irgendetwas richtig zu machen – im besten Fall.

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BS Tailslide, DDR Museum, Berlin/Tiergarten.

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by Daniel Pannemann
Fotos: Jonathan Peters